Der Mensch

Nikolays Familie hat eine eindrucksvolle Geschichte. „Aber soll ich wirklich von mir erzählen?“ fragte er. „Ja“, sagte ich, „warum nicht? Die Leute möchten wissen, wer du bist, woher du kommst. Sie wollen deine Wurzeln kennenlernen.“ Er seufzt, denkt eine Weile nach und winkt dann ab: „Nein, mein Privatleben gehört nicht hierher.“

„Aber vielleicht einige musikalischen Aspekte“, wende ich ein. Und tatsächlich gesteht er, dass die Violine für ihn das lyrische, das singende Instrument ist, das Klavier hingegen das epische, erzählende. Aber weil ihm beide gleich innig vertraut sind, kann er ins Klavierspiel die Geige einfließen lassen und in die Geige das Nachdenkliche des Klaviers.

„Darf ich erzählen, dass dein Vater zum Beispiel die Jazzabteilung an der Staatlichen Musikakademie in Astrachan 1981 gründete und ihre Leitung übernahm?“ „Ja, gut“, antwortet er, „das kann man sagen. Dann aber vielleicht auch, dass mein Vater ‚freiwillig zurücktreten‘ musste; sein Jazz war den Kommunisten ‚zu amerikanisch‘ geworden.“

Eine kleine persönliche Anekdote gibt Nikolay schließlich doch preis. Er erzählt: „Meinen ersten Klavierunterricht erhielt ich von Papa persönlich. Wie das Schicksal so spielt, war der Anlass für meinen zusätzlichen Wunsch nach Geigenunterricht ein Unfall. Ich tobte durch die Wohnung und stieß mich an einer Schranktür so stark, dass ich mit einer kräftigen Platzwunde an der Stirn stark blutend am Boden lag. Schon bald kam eine Freundin meiner Eltern, um mich mit ihrem Geigenspiel zu trösten. Sobald ich wieder fit war, wollte ich unbedingt auch Geige lernen.“

Staatliche Musikakademie in Astrachan